Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

6. Topographie

Neben den Tidewasserständen ist die Topographie der zweite Basisparameter der Beweissicherung. Im Vergleich zu den Tidewasserständen ist ein Nachweis möglicher ausbaubedingter Veränderungen bei den topographischen Verhältnissen allerdings ungleich schwerer, da es sich bei der Unter- und Außenelbe um ein hochdynamisches morphologisches System handelt, in dem ständig und überall Erosion und Sedimentation mit entsprechendem Materialtransporten stattfinden. Die modellhafte Nachbildung aller hierbei maßgeblichen physikalischen Prozesse steckt auch heute noch in den Kinderschuhen und ist qualitativ noch nicht möglich. Vor diesem Hintergrund war und ist eine räumlich detaillierte Prognose der langfristigen morphologischen Entwicklung eines Tideästuars wie der Unter- und Außenelbe schlicht nicht möglich - zumal ein meteorologisches Einzelereignis wie eine Sturmflut die topographischen Verhältnisse innerhalb weniger Stunden vollkommen verändern kann.

Folglich ließen sich auch die Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung auf die morphologischen Verhältnisse in der UVU nicht exakt quantifizieren. Es konnten lediglich Trendaussagen zu morphologischen Änderungen getroffen werden. Im Mittelpunkt standen dabei die Kenntnisse über die prognostizierten ausbaubedingten Veränderungen der Tidedynamik, die sich über veränderte Wasserstände, Überflutungsdauern, Strömungsgeschwindigkeiten sowie Sedimentations- und Erosionsverhalten auf Ufer, Deichvorländer sowie die Watt- und Flachwasserbereiche auswirkt.

Die in der UVU beschriebenen Entwicklungstendenzen für die einzelnen morphologischen Strukturelemente4 lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Deichvorland: Durch den prognostizierten Anstieg des MThw und die damit verbundene Verlängerung der Überflutungsdauer wurde eine Beeinträchtigung ufernaher Biotope angenommen, in deren Folge sich die Gefahr von Erosionen im
    Uferbereich erhöht. Andererseits können Sedimentationen stattfinden, da die prognostizierte Erhöhung des Hochwassers zu einem erhöhten Schwebstoffeintrag in die Vordeichflächen führt.
  • Watt: Aufgrund der prognostizierten Absenkung des Tnw wurden bereichsweise tendenzielle Vergrößerungen der Wattflächen erwartet.
  • Flachwasser: Für die Flachwasserbereiche wurde aufgrund der prognostizierten Absenkung des Tnw lokale Flächenverlagerungen vorhergesagt. Überwiegend wurde von einer Tendenz zur Abnahme der Flachwasserbereiche ausgegangen.
  • Tiefwasser: Die Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung resultieren einerseits aus den direkten Veränderungen infolge der Ausbaubaggerungen. Andererseits wurde angenommen, dass es zu indirekten Veränderungen aufgrund des morphologischen Nachlaufs kommen könnte, durch den sich nach dem Ausbau eine morphologische Entwicklung der Gewässersohle bis zu einem neuen dynamischen Gleichgewicht einstellen wird (siehe auch Abschnitt "Sockelstabilität"). Tendenziell wurde mit einer Zunahme der Tiefwasserbereiche gerechnet.

Insgesamt wurden in der UVU zur Fahrrinnenanpassung jedoch keine gravierenden Veränderungen der morphologischen Verhältnisse im Bereich der Unter- und Außenelbe prognostiziert, was angesichts des Umfanges der baulichen Maßnahmen (nur bereichsweise Veränderungen der Fahrrinnenbreiten) und des vergleichsweise geringen Ausmaßes der vorhergesagten vertiefungsbedingten Änderungen der Tidedynamik auch nicht verwundert.

Gleichwohl ist im Rahmen des Beweissicherungsprogramms eine umfassende Kontrolle der Topographie des Untersuchungsgebietes vorgesehen. Zentraler Untersuchungsinhalt ist hier die Entwicklung der flächenmäßigen Verteilung der oben genannten topographischen Strukturelemente Vorland, Watt sowie Flach- und Tiefwasser.

Die topographischen Veränderungen werden im gesamten Untersuchungsgebiet ermittelt, welches von der Außenelbe bis zur Tidegrenze am Wehr Geesthacht reicht und eine Gesamtfläche von etwa 848 km2 aufweist. Das Gesamtgebiet ist unterteilt in sieben Untersuchungsabschnitte (Abb. 7), die bereits in der UVU festgelegt wurden. Ihre Einteilung basiert auf den unterschiedlichen Milieubedingungen für die Tier- und Pflanzenwelt. Die Untersuchungsgebiete sind:

  • Geesthacht bis Hamburg (UG 1; 19,8 km2 = 2,3 % des Gesamtgebietes)
  • Hamburger Delegationsstrecke (UG 2; 15,7 km2 = 1,9 % " " )
  • Hamburg bis Hetlingen (UG 3; 40,8 km2 = 4,8 % " " )
  • Hetlingen bis Stör (UG 4; 95,5 km2 = 11,3 % " " )
  • Stör bis Ostemündung (UG 5; 104,7 km2 = 12,3 % " " )
  • Ostemündung bis Cuxhaven (UG 6; 284,6 km2 = 33,5 % " " )
  • Cuxhaven bis See (UG 7; 287,3 km2 = 33,9 % " " )

Abb. 7: Die sieben Untersuchungsabschnitte der Tideelbe

Im Beweissicherungsprogramm wurde für den Parameter Topographie als Schwellenwert eine ausbaubedingte Veränderung der Flächenverteilung von Watt, Flach- und Tiefwasser um jeweils > 10 % im Untersuchungsgebiet festgelegt. Hinsichtlich der Vorlandbereiche (MThw-Linie bis Deichoberkante) wurde die Veränderungsschwelle auf > 5 % festgelegt.

Grundlage für die Vergleichsbetrachtungen ist die Erstellung digitaler Geländemodelle für die einzelnen Untersuchungsabschnitte auf Basis der Peil- und Vermessungsdaten der beteiligten Ämter. Abb. 8 zeigt am Beispiel des Untersuchungsgebietes 5 (Stör bis Ostemündung) die räumliche Verteilung der fünf morphologischen Struktureinheiten von 1995 bis 2000. Die Ergebnisse der bis dato vorliegenden topographischen Vergleiche sind exemplarisch in Abb. 9 für UG 5 (Stör bis Ostemündung) dargestellt.

Die Daten zeigen nur ausgesprochen geringfügige Schwankungen der Verteilung der definierten Struktureinheiten. Ein klarer Entwicklungstrend ist nicht auszumachen. Trotz der hohen Morphodynamik des Systems Unter- und Außenelbe bleibt die generelle prozentuale Verteilung der topographischen Einheiten also offenbar ausgesprochen stabil. Daran hat augenscheinlich auch der jüngste Fahrrinnenausbau nichts geändert. Die hauptsächlich in 1999 durchgeführte Fahrrinnenanpassung schlägt sich in den bis dato vorliegenden Untersuchungsergebnissen nicht nieder.

Abb. 8: Verteilung der topographischen Einheiten Vorland, Watt, Flachwasser und Tiefwasser im Untersuchungsgebiet 5 (Stör bis Ostemündung) 1995 bis 2000

Abb. 9: Prozentuale Verteilung der Einheiten Vorland, Watt, Flachwasser und Tiefwasser im Untersuchungsgebiet 5 (Stör bis Ostemündung) 1995 bis 2000

Tabelle 1 fasst die bisher vorliegenden Ergebnisse der topographischen Vergleichsbetrachtungen für alle sieben Untersuchungsgebiete zusammen. Die Zahlen unterstreichen das oben Gesagte: Eine Wirkung der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe auf die Verteilung der morphologischen Strukturelemente ist nicht erkennbar, der im Beweissicherungsprogramm definierte Schwellenwert wird in keinem Fall erreicht.

Tab. 1: Prozentuale Verteilung von Tiefwasser, Flachwasser, Watt und Vorland in den sieben Untersuchungsabschnitten von Unter- und Außenelbe

  1995 1997 1998 1999 2000
UG 1:
Tiefwasser > 10 m u. KN     0,01 0,03 0,01
Tiefwasser 2 - 10 m u. KN     39,95 42,54 41,53
Flachwasser     8,19 9,22 9,19
Watt     22,31 20,79 21,14
Vorland     29,55 23,71 28,06
UG 2:
Tiefwasser > 10 m u. KN     32,76 32,82 32,71
Tiefwasser 2 - 10 m u. KN     33,18 32,99 33,43
Flachwasser     5,06 4,75 5,18
Watt     10,85 10,73 10,20
Vorland     17,24 18,15 18,36
UG 3:
Tiefwasser > 10 m u. KN   19,35 19,49 19,79 19,88
Tiefwasser 2 - 10 m u. KN   18,85 17,73 19,09 19,09
Flachwasser   13,02 14,67 13,31 13,46
Watt     32,10 31,89 31,57
Vorland     16,01 15,85 15,83
UG 4:
Tiefwasser > 10 m u. KN 17,57 17,55 18,18 18,14 17,88
Tiefwasser 2 - 10 m u. KN 27,48 27,44 27,75 27,44 26,83
Flachwasser 8,20 8,34 8,96 8,96 9,78
Watt     27,51 28,07 27,94
Vorland     17,47 17,28 17,25
UG 5:
Tiefwasser > 10 m u. KN 26,34 26,87 27,46 26,67 26,21
Tiefwasser 2 - 10 m u. KN 23,98 22,99 22,15 24,55 25,22
Flachwasser 5,74 5,16 6,44 5,74 5,94
Watt     30,06 29,33 28,90
Vorland     13,78 13,52 13,70
UG 6:
Tiefwasser > 10 m u. KN 8,90 8,60 8,90 8,87 8,66
Tiefwasser 2 - 10 m u. KN 19,30 19,70 19,80 19,81 20,29
Flachwasser 9,00 8,20 7,50 6,72 7,60
Watt     55,90 57,27 56,12
Vorland     7,40 7,06 7,25
UG 7:
Tiefwasser > 10 m u. KN 14,00 13,80 14,89 13,84 13,72
Tiefwasser 2 - 10 m u. KN 25,90 27,60 26,78 27,15 27,70
Flachwasser 12,80 10,90 10,71 10,01 11,64
Watt     44,89 44,81 43,57
Vorland     2,65 4,10 3,13

Im Zusammenhang mit der im vorherigen Abschnitt beschriebenen Ermittlung topographischer Veränderungen auf Basis der sieben Untersuchungsabschnitte erfolgt bei der Beweissicherung zugleich auch eine sehr detaillierte und umfassende Aufnahme des gesamten Elbvorlandes mit seinen Überflutungsräumen. Ziel ist die Dokumentation von Veränderungen der Geländegestalt bzw. Geländebewuchses im Elbvorland und im tidebeeinflussten Bereich der Nebenflüsse. Hauptbestandteil der Erhebungen sind Querprofilmessungen (Deich bis MTnw), die ergänzt werden durch Biotopvermessung (Standortbestimmung einzelner Pflanzen sowie Transektmessung) sowie Vermessung von Abbruch-, Vegetationskanten und der MThw-Linie.

Insgesamt werden im gesamten Beweissicherungsgebiet nicht weniger als 1428 Querprofile in den Vorlandbereichen aufgenommen. Der Abstand der Profilaufnahmen schwankt zwischen 50 und 200 m. Für einen Großteil dieser Profile bestehen Vergleichsmessungen aus den 60er und 70er Jahren, die im Zusammenhang mit vorangegangenen Vertiefungsmaßnahmen aufgenommen wurden, so dass für die Beweissicherung eine sehr gute Datenbasis für die Kontrolle der Erosions- und Sedimentationsvorgänge im Uferbereich der Tideelbe vorhanden ist. Abb. 10 zeigt ein Beispiel für ein Querprofil aus der terrestrischen Vermessung. Die ersten Vergleichsmessungen wurden bereits aufgenommen.

Abb. 10: Beispiel für eine Profildarstellung zur terrestrischen Vermessung mit eingearbeiteten Altprofilen aus früheren Erhebungen bei Elbe-km 645 (zwischen Este und Lühe)

Fußnoten:

4

Die "morphologische Strukturelemente" wurden in der UVU definiert und voneinander abgegrenzt:

Vordeichflächen

sind die Bereiche zwischen dem Ufer (MThw-Linie) und dem Deich.

Wattflächen

liegen zwischen dem Ufer (MThw-Linie) und der MTnw-Linie.

Flachwasserzonen

sind definiert als Bereiche mit Tiefen zwischen MTnw und 2 m unter MTnw.

Tiefwasserbereiche

weisen Tiefen von mehr als 2 m unter MTnw auf. Die Bereiche > 10 m unter MTnw werden differenziert betrachtet, da diese eine andere ökologische Wertigkeit aufweisen.