Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

IV.4 Einfluss der Baggerarbeiten (Baggerung und Verklappung) auf die Schwebstoff- und Sauerstoffverteilungen im Umfeld der Arbeiten

Um den Einfluss der Baggerei auf die Schwebstoff- und Sauerstoffverhältnisse festzustellen, wurde im Herbst 1999 vom Forschungszentrum Geesthacht (GKSS) in Zusammenarbeit mit Firma BIOLOG im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes Hamburg eine Messkampagne durchgeführt, die zu folgenden Resultaten führte (Auszüge aus dem Gutachterbericht):

Thematik: Schwebstoffverteilung im Umfeld von Baggerarbeiten

Gegenstand der durchgeführten Untersuchungen war die messtechnische Verfolgung der Ausbreitung der eingeleiteten Schwebstoffe während der Baggerung und im Anschluss an die Umlagerung bis zu ihrem Verschwinden im natürlichen Schwebstoff-Hintergrund.

Bagger- und Verklappungsgebiet

Das Umlagerungsgebiet befand sich am südlichen Fahrrinnenrand stromab der Südreede Brunsbüttel zwischen Elbe 699 und 702 (Baggerfelder), sowie zwischen Medemmündung und Glameyer Stack bei Elbe 712 bis 716 (Klappstelle). Die Abbildungen IV.4-1 und IV.4-2 zeigen die Tiefenverteilungen in der Umgebung der Baggerstellen und der Klappstelle. Die weißen Rechtecke geben die Gebiete der einzelnen Messungen mit der Messnummer an der rechten oberen Ecke. (Diese werden ausführlich im Gutachten behandelt).

Abb. IV.4-1: Untersuchtes Baggergebiet

Abb. IV.4-2: Klappstelle

Schwebstoffverfolgung

Die eigentliche Schwebstoffmessung erfolgte nahezu kontinuierlich vom fahrenden Messboot durch Registrierung der ADCP-Rückstreuintensität. Die Untersuchungen wurden sowohl während der Flut- als auch während der Ebbphase vorgenommen. Dabei wurde wie folgt vorgegangen :

Messungen an der Baggerstelle

In größerer Entfernung (ca. 1000 m) stromauf vom Hopperbagger wurden zunächst die natürlichen Hintergrundwerte gemessen. Dann sollte beginnend am arbeitenden Hopperbagger selbst ein spiralförmiger Kurs um den Ausgangspunkt gefahren werden; wobei pro Umfahrung der Radius um ca. 25 m zunehmen sollte. Dabei sollte kontinuierlich die vertikale Schwebstoffverteilung gemessen werden. Zu Beginn jeder Umfahrung wurden zur Kalibrierung der Schwebstoffmessungen Wasserproben aus unterschiedlichen Wassertiefen entnommen. Die Umfahrungen sollten beendet werden, wenn der gemessene Schwebstoffgehalt die natürlichen Hintergrundwerte erreicht hatte. Leider konnte durch die andauernde Bewegung des Baggers die geplante spiralförmige Erfassung der räumlichen Schwebstoffverteilung nicht erreicht werden. Als Notprogramm wurden versucht, zumindest die durch die Baggeraktivitäten ausgelöste Schwebstoffwolke zu verfolgen. Auch waren die Schwebstoffkonzentrationen in der unmittelbaren Umgebung der Baggerung so hoch, dass der Maximalwert der messbaren Rückstreuintensität erreicht wurde. Ein weiterer schwerwiegender Mangel für die abschließende Beurteilung der Auswirkungen der Baggerung war das Fehlen der Aufzeichnung der vom Bagger gefahrenen Kurses, der sich auch aus den wenigen Protokollnotizen kaum rekonstruieren ließ. Das Messschiff befand sich aber (mit Ausnahme der Hintergrundmessungen) stromab des Baggers.

Messungen an der Klappstelle

Hierbei wurden feste Flussquerschnitte laufend auf ihre Schwebstoffverteilung während/nach der Baggerguteinbringung untersucht. Prinzipiell wurde dabei wie folgt vorgegangen werden: Das Messschiff begann mit fortlaufenden Querungen des Flusses unterhalb der Einleitungsstelle und erfasste den natürlichen Schwebstoff-Hintergrund. Die Einleitung begann. Das Messschiff erfasste die durchlaufende Schwebstoffwolke während seiner Querungen solange, bis sich der natürliche Hintergrundwert wieder eingestellt hatte. Das Messschiff verließ den Querschnitt, überholt die sich stromab bewegende Schwebstoffwolke und begann mit erneuten fortlaufenden Querungen solange bis die Schwebstoffwolke den neuen Querschnitt passiert hatte. Das Aufsuchen neuer Flussquerschnitte wurde solange fortgesetzt, bis die eingeleitete Schwebstoffwolke als solche nicht mehr nachweisbar war. Notfalls wurde auf die Methode der Zickzack-Verfolgung zurückgegriffen, wenn bereits das Aufsuchen eines zweiten Flussquerschnittes mit messbarer Konzentrationserhöhung nach obigem Verfahren infolge der raschen Einmischung nicht realisierbar war. Zur Markierung der Front der Schwebstoffwolke wurde mit dem Beginn der Einleitung am Hopperbagger eine Driftboje ausgebracht. Mit dieser Markierung wurde das Aufsuchen neuer Messquerschnitte (Überholen der Schwebstoffwolke) erheblich vereinfacht. Bei der Zickzack-Verfolgung stellt die Driftboje während jeder Flussquerung den Ansteuerungspunkt auf dem Querungsprofil dar. Zusätzlich zu den o.g. Profilfahrten wurden einige Längs- und Querprofile im Umlagerungsgebiet unmittelbar vor und etwa eine Stunde nach der Sedimenteinleitung durchgeführt. Dabei dienten erstere der Erfassung des Ausgangszustandes und letztere der etwaigen Resuspensionsvorgänge nach vorausgegangener Sedimentation des Baggergutes am Umlagerungsort.

Fazit mit Fragen und Antworten zur Schwebstoff-Problematik während des Baggerns und Verklappens

Wie groß ist der Einflussradius des arbeitenden Hopperbaggers (Remobilisierung an der Sohle, Laderaumüberlauf) auf das Schwebstoffregime? Die Messungen zeigen, dass sich die Grenzen des Einflussbereiches (Schwebstofffahne) gut feststellen lassen. Bei entwickelter Strömung sind nur Auswirkungen auf der strömungsabgewandten Seite des Bagger zu beobachten. Die Fahne lässt sich dort aber noch in mindestes 1 km Entfernung ausmachen. Quer zur Strömungsrichtung beträgt der Einflussbereich 50 bis 100 m, in Bodennähe ungefähr das Doppelte. Genauere Angaben sind möglich, wenn die Position des Baggers kontinuierlich erfasst und aufgezeichnet wird.

Wie weit lässt sich die Baggergutwolke nach der Umlagerung messtechnisch nachweisen? Bei feinkörnigem Material konnte die Wolke bei entwickelter Strömung bis 700 m auf der strömungsabgewandten Seite der Klappstelle messtechnisch vom Schwebstoffhintergrund unterschieden werden. Bei der überwiegenden Mehrheit der grobkörnigen Ladungen war der Nachweisbereich geringer. Quer zu Strömung lässt sich die Wolke noch in maximal 100 m Entfernung nachweisen.

Dringt die Baggergutwolke in Uferzonen, Hafenbecken und Buchten vor? Die Messungen zeigen neben dem Transport mit der Strömung in Flusslängsrichtung eine Bewegung der bodennahen Schichten der Wolke entlang des Gefälles zur Strommitte. Uferzonen, Hafenbecken und Buchten dürften nur beeinflusst werden, wenn die Wolke mit der Tideströmung direkt in solche Bereiche transportiert wird. In den untersuchten Gebieten ist das nicht der Fall.

Wie hoch ist der Einfluss der Tidephase? Welches sind die Einmischungsmechanismen und Ausbreitungspfade? Der geringste Einflussradius besteht bei Baggerung und besonders Verklappung zur Stauwasserzeit, da dann das mobilisierte bzw. verklappte Material vor Ort bleibt. Ob feinkörniges Material dann bei einsetzender Strömung wieder mobilisiert wird, konnte nicht geklärt werden. Es dürfte aber bei den in diesem Flussabschnitt vorherrschenden hohen natürlichen Schwebstoffkonzentrationen messtechnisch nicht möglich sein. Der Unterschied zwischen Ebb- und Flutstrom besteht hauptsächlich in den unterschiedlichen Hintergrundkonzentrationen. Die Einmischung behindernde Dichteunterschiede (Salzgradienten) wurden nicht gemessen. Die Einmischung erfolgt durch Strömungsturbulenz. Die wichtigsten Ausbreitungspfade sind der Transport mit der Strömung (Advektion) in Flusslängsrichtung und der Schwerkraft entlang des Gefälles.

Thematik: Sauerstoffverteilung im Umfeld von Baggerarbeiten

Gegenstand der durchgeführten Untersuchungen waren punktuelle Messungen von Sauerstoffgehalt und (experimenteller) Sauerstoffzehrung in der Schwebstoffwolke. Die Örtlichkeiten der Untersuchungen zeigen die Abbildungen IV.4-1 und IV.4-2.

Fazit mit Fragen und Antworten zur Sauerstoff-Problematik während des Baggerns und Verklappens

Wie verändert sich der Sauerstoffgehalt in unmittelbarer Nähe des Baggers?

Wie hoch ist dort die experimentelle Sauerstoffzehrung über 24 Stunden ?

Wie verändert sich der Sauerstoffgehalt im Umlagerungsgebiet?

Wie hoch ist dort die experimentelle Sauerstoffzehrung über 24 Stunden ?

Wie sind aus ökologischer Sicht die Ergebnisse der Sauerstoffmessungen zu beurteilen?

Eine abschließende Bewertung der hier dargestellten Ergebnisse (und somit Beantwortung der o.g. Fragen) kann mit dieser Messkampagne allein nicht vorgenommen werden. Die Messkampagne vom 02.-04.11.1999 repräsentierte eine Gewässersituation zu Beginn des Winters mit Wassertemperaturen von 10,3-11,4 °C. So ist nach BERGEMANN et al. (1996) im Herbst ein Nachlaufen der Zehrung zu beobachten, weil die Abbaupotenz noch vorhanden ist, auch wenn die Vermehrungsrate der Bakterien durch sinkende Temperaturen deutlich abnimmt.

Im Baggerungsgebiet bei Strom- 699-702 wurden im November 1999 keine kritischen Sauerstoffkonzentrationen gemessen. Ob während der Hopperbaggerei mit dem Spülwasser Sauerstoff ins Gewässer eingetragen wird, kann zur Zeit nur vermutet werden, da die Sauerstoffsättigungswerte bei den Tiefenproben mit 113, 125 und 132 % relativ hoch lagen. Ein sogenanntes "refreshing by dredging" wird in Japan und in den USA seit längerer Zeit unter Umweltgesichtspunkten diskutiert (mdl. Mitt. Dipl.-Ing. R. WURPTS, Nds. Hafenamt Emden). Effekte der Baggerei auf den Sauerstoffhaushalt im Baggerungsgebiet konnten jedoch nicht ausgeschlossen werden, da in Zehrungsversuchen über 24 Stunden an drei Proben deutliche Sauerstoffabnahmen von 0,4 bzw. 0,7 und 0,8 mg/l festgestellt wurden.

Im Umlagerungsgebiet an der Klappstelle bei Strom- 712-716 traten während der Sauerstoff-Direktmessungen in den Proben der Verklappungsfahne um ca. 0,3 mg/l geringere Sauerstoffkonzentrationen im Vergleich zu Probenwasser ohne Verklappungsereignis ("Null-Proben") auf. Diese Unterschiede könnten auf die sehr schnell stattfindenen chemischen Sauerstoffzehrungsprozesse des eingebrachten Klappgutes zurückgeführt werden. Die im Experiment durchgeführten Zehrungsversuche zeigten im Klappgebiet keinen deutlichen Einfluss auf die Sauerstoffverhältnisse, das heißt bakterielle Abbauvorgänge scheinen dort zu dieser Jahreszeit keine Rolle zu spielen.

Da während der gesamten Messkampagne im November 1999 vornehmlich sandige Sedimente gebaggert und verklappt wurden, ist es nicht verwunderlich, dass die Effekte der Sauerstoffzehrung im Gewässer insgesamt als sehr gering einzustufen sind. Eine abschließende Beurteilung der Sauerstoffmessungen aus dem vorliegenden relativ geringen Datenmaterial ist für die Beantwortung ökologischer Belange nicht möglich. Hierzu müssen die geplanten Messungen im Sommer 2000 abgewartet werden. Zu diskutieren sind eine veränderte Probennahmestrategie sowie die messtechnischen Rahmenbedingungen. Zur weiteren Verifizierung der Sauerstoffproblematik empfehlen wir Gewässertemperaturen um 20 °C, nach Möglichkeit Untersuchungen im limnischen Bereich der Tideelbe sowie in Baggerungsgebieten mit vornehmlich schlickigen Sedimenten.

Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass es hinsichtlich der Baggermaßnahmen für die Neubaumaßnahme "Fahrrinnenanpassung" voraussichtlich keine Beeinträchtigungen von Seitenbereichen bzw. Verschlechterungen der Sauerstoffverhältnisse gegeben hat. Die Einschränkung "voraussichtlich" muss an dieser Stelle gemacht werden, da es sich bei den Untersuchungen um einmalige Aufnahmen zum Abschluss der Maßnahmen handelte. Insbesondere begünstigt wurden die positiven Ergebnisse durch die Tatsache, dass es sich bei den Baggermengen um sandiges Material handelte. Dieses Material war Hauptbestandteil der gesamten Ausbaubaggermengen, die im Rahmen der Umlagerungsbaggerungen bewegt wurden, da diejenigen Ausbaubaggermengen, die als Hauptbestandteile schluffige Anteile aufwiesen, auf Pagensand aufgespült wurden. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass zu mindestens für die Thematik Schwebstoffe die Ergebnisse der Untersuchungen repräsentativ für die Gesamtmaßnahme sind.

Die vollständigen Gutachten sind auf der beigefügten CD 2 (Materialien) vorhanden.