V.3.1 Makrozoobenthos
Baggergutablagerungsfläche (BAF) Twielenfleth
Die Ergebnisse spiegeln die hohe natürliche Dynamik wider, wie sie besonders für ästuarine Lebensräume typisch ist. Ein Jahr nach der Baggergutablagerung sind die Flächen wieder besiedelt, weisen allerdings deutliche Unterschiede v. a. im Bereich der Altersstruktur der Besiedlung auf. Die Besiedlungsdichte der Benthosgemeinschaft hat sich gegenüber 1998/99 mit wenigen Ausnahmen (in 2001 v. a. deutlich geringere Crustacea-Dichten auf den äußeren Referenzen) sowohl auf den Referenztransekten als auch auf der Baggergutablagerungsfläche nicht erheblich verändert. Allerdings erfolgte eine Umstrukturierung in der Dominanzhierarchie, die an den Referenzstationen örtlich z. T. stärker ausgeprägt war als an den Stationen der Baggergutablagerungsfläche. Dieses betraf v.a. die Oligochäten-Gemeinschaft aber auch die übrigen Benthostaxa. Die Veränderungen in der Arten- und Dominanzstruktur zwischen 1998 und 2001 sind wahrscheinlich Resultat der erfolgten Sedimentveränderungen - insbesondere im Bereich der westlichen Referenz-Stationen. Unter der Annahme, dass die Veränderung des Strömungsregimes und die damit verbundene Sedimentveränderung eine Folge der Baggergutablagerung ist, wären auch auf der westlichen Referenz Hinweise auf Wirkungen abzuleiten, auf die dann auch vermutlich die lokale Reduzierung der Wassertiefe zurückzuführen sein könnte.
Das in 2001 erstmals gehäufte Auftreten des Brackwassernaididen Amphichaeta sannio und der Nachweis des euryhalinen Polychaeten Hediste diversicolor, der in diesem Bereich der Elbe zum ersten Mal in mehreren Exemplaren nachgewiesen wurde, könnte als Hinweis auf erhöhte Salinitäten im Gebiet gedeutet werden. Ob ein Zusammenhang mit der letzten Fahrrinnenanpassung besteht, kann hier nicht geklärt werden.
Hinweise auf Auswirkungen der Baumaßnahme auf der Basis der bisher vorliegenden Daten für die 1000 µm-Fraktion sind nicht eindeutig, wenn die Veränderungen auf den Referenzen nicht auch der Maßnahme zugeordnet werden. Veränderungen wurden in ähnlicher Weise auf der BAF und örtlich auch an Referenzbereichen dokumentiert. Für die Oligochaetenfauna sind Hinweise auf mögliche Wirkungen für die Baggergutablagerungsfläche anhand der aktuellen Arten- und Dominanzstruktur deutlich.
Die möglichen Wirkungen auf die Oligochaeten lassen sich dabei im Wesentlichen durch die veränderte Altersstruktur der Tubificidenfauna ableiten. Diese sich zeigte sich v. a. durch einen geringeren Anteil adulter Tubificiden auf der Baggergutablagerungsfläche. Dies und die im Vergleich zur Voruntersuchung geringeren Dominanzwerte und das in mancher Hinsicht andersartige Oligochätenspektrum sind als Hinweis auf den anhaltenden Prozess der Wiederbesiedlung, aber auch der Konsolidierung der neuen Flächen zu werten. Unter der o. g. Annahme maßnahmebedingter Sedimentveränderung v. a. im westlichen Referenzbereich, wären auch hier Hinweise auf Wirkungen (Sedimente, Änderung der Dominanzstrukturen) vorhanden.
Die Ergebnisse zeigen bei insgesamt hoher räumlicher und zeitlicher Variabilität der faunistischen Besiedlung und trotz weitgehender Wiederbesiedlung der Ablagerungsfläche deutliche Hinweise auf noch bestehende Wirkungen der Baumaßnahme auf die Wirbellosengemeinschaft, insbesondere auf die Oligochätenfauna. Zur Beschreibung des weiteren Verlaufs der Regeneration ist eine Fortsetzung der Begleituntersuchungen erforderlich.
Fahrrinne der Unterelbe im Bereich von km 647-653
Unter Berücksichtigung der UVU-Prognose lassen die Ergebnisse den Schluss zu, dass hinsichtlich der funktionellen und strukturellen Kriterien sich das System offenbar ein dem Status quo ante vergleichbaren Zustand angenähert hat.
Die typische Fahrrinnenzönose ist keine unbeeinflusste und damit natürliche Faunengemeinschaft, da sie wiederkehrend durch mehr oder weniger intensive Unterhaltungsarbeiten in der Fahrrinne beeinträchtigt wird. Geht man davon aus, dass die Referenz, eine solche typische Fahrrinnenzönose repräsentiert, sind die auf der Referenz beobachteten interannuellen Veränderungen (Rückgang der Artenzahlen) überwiegend als Ausdruck der typischen Dynamik der Zönose eines unterhaltenen Gewässers anzusehen.
Unter dieser Voraussetzung, also einer Eignung des Fahrrinnenabschnitt als Referenz für die Baggerstrecke, sind auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse (räumlicher und zeitlicher Vergleich) Hinweise auf mögliche Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung auf die Makrozoobenthosgemeinschaft nicht offensichtlich.
Außenelbe
Die vorläufigen Ergebnisse machen deutlich, dass in den untersuchten Abschnitten der Außenelbe die durch Baggerungen oder Verklappungen betroffenen Bereiche ca. 10 Monate nach den Vertiefungsarbeiten wieder durch eine ähnliche Gemeinschaft besiedelt sind. Allerdings zeigen sich, weitgehend in Übereinstimmung mit den Prognosen der UVU, noch verschiedene Beeinträchtigungen der benthischen Gemeinschaft, die als Folge der Sedimentumlagerungen interpretiert werden müssen. Dieses betrifft v. a. die Klappstelle, die verminderte Taxazahlen, Abundanzen und eine in der Tendenz veränderte Populationsstruktur bei der Muschel Macoma balthica aufweist. In der Fahrrinne sind Wirkungen weniger deutlich, da hier anders als im Bereich der Klappstelle keine Reduzierung der Zoobenthosbesiedlung erkennbar ist, sondern im Gegenteil eine deutliche Erhöhung der Makrozoobenthos-Besiedlungsdichte erfolgte, insbesondere derjenigen feinsandliebender Crustacea.
Durch die dokumentierten Sedimentveränderungen (höhere Feinsandanteile gegenüber 1999) im Bereich der Baggerstrecke, die möglicherweise eine Folge der Vertiefungsarbeiten angesehen werden können, ist es nicht ausgeschlossen, dass die hohen Abundanzen hierdurch induziert wurden. In diesem Fall wäre das Ergebnis als ein Hinweis auf Wirkungen zu bewerten. Allerdings lassen die vorliegenden Daten eine solche Schlussfolgerung nur bedingt zu. Erschwert wird die Analyse durch die räumlich und zeitlich auch außerhalb der eigentlichen Vertiefungsbaggerungen stattgefundenen Unterhaltungsarbeiten, die z. T. auch die Referenzen betrafen. Insgesamt soll betont werden, dass die Vertiefungsbaggerungen eine durch die in der Vergangenheit stattgefundenen Strombaumaßnahmen und die laufende Unterhaltungsbaggerei vorbelastete Gemeinschaft betroffen haben.