II.4.3.1 Wasserstandsmessungen
Auf der Hamburger Delegationsstrecke werden derzeit sechs Schreibpegel betrieben (U. F. Blankenese, Seemannshöft, St. Pauli, Schöpfstelle, Harburg und Bunthaus). Drei davon werden gemäß Planfeststellungsbeschluss im Rahmen des Beweissicherungsverfahrens herangezogen; dabei handelt es sich um die in der nachfolgenden Tabelle II. 4.3.1-1 aufgeführten Pegel:
Tab. II.4.3.1-1: Wasserstandsmessungen im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke
Pegelname | Pegel Nr. |
Ort (Elbe-km) |
In Betrieb (Schreibpegel) seit | Auswertungen Tideparameter |
Bemerkungen |
U.F. Blankenese | 59520651 | 634,8 re | 1959 | - Tidescheitelwerte - Tidemittelwerte - Flutdauer - Ebbedauer - Häufigkeitszahlen - Dauerzahlen |
- |
St. Pauli | 59520505 | 623,1 re | 1863 | - | |
Bunthaus | 59520200 | 609,8 li | 1887 | - |
Die Pegel wurden im hier betrachteten Zeitraum ohne zeitliche Unterbrechungen und gemäß der gültigen Pegelvorschrift betrieben und ausgewertet. Die Lage der Pegel zeigt die nachfolgende Abbildung II.4.3.1-1. Die nächsten stromauf bzw. stromab gelegenen Pegel, die im Zuge der Beweissicherung eingesetzt werden, sind Over (km 605,3, Pegel des WSA Lauenburg) bzw. Cranz (km 634,4, Pegel des WSA Hamburg).
Abb. II.4.3.1-1: Positionen der Beweissicherungspegel im Amtsbereich von Strom- und Hafenbau
Entwicklung der Wasserstände
Die Abbildungen II.4.3.1-2 bis II.4.3.1-4 zeigen die Entwicklung des jährlichen mittleren Tidehoch- und Tideniedrigwassers sowie des Tidehubs an den Pegeln Blankenese, St. Pauli und Bunthaus seit 1985. Zur Veranschaulichung der Abhängigkeit der Wasserstände vom Oberwasserzufluss, die insbesondere am Pegel Bunthaus deutlich zu erkennen ist, wurden in den Graphiken jeweils auch die Jahresmittelwerte des Oberwasserzuflusses Neu Darchau (in m³/s) dargestellt.
Abb. II.4.3.1-2: MThw Bunthaus, St. Pauli und Blankenese seit 1985
Abb. II.4.3.1-3: MTnw Bunthaus, St. Pauli und Blankenese seit 1985
Abb. II.4.3.1-4: MThb Bunthaus, St. Pauli und Blankenese seit 1985
Kennzeichnend für die Wasserstandsentwicklung in diesem Zeitraum ist ein leichtes Ansteigen des Tidehochwassers und ein deutlicheres Absinken des Tideniedrigwassers an allen drei Pegeln. Seit 1985 ist das MTnw im Hamburger Bereich um insgesamt etwa 20 cm gefallen, also >1 cm/Jahr (vgl. Abb. II.4.3.1-3).
Diese Absink-Tendenz des MTnw ist insofern bemerkenswert, als dass im Zeitraum 1985-1998 keine nennenswerten anthropogenen Eingriffe stattgefunden haben, die für diese Entwicklung verantwortlich sein könnten.
Erste Erklärungsansätze für dieses Phänomen, die umfängliche morphologische Umlagerungsvorgänge im Außenelbegebiet (vor allem im Bereich der Medemrinne) als eine wesentliche Ursache ansehen, haben sich mittlerweile offenbar bestätigt. So führt die Bundesanstalt für Wasserbau [2001] zu diesem Thema aus:
"Die Medemrinne hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte aufgeweitet und nach Norden verlagert. [Abb. 3] zeigt am Beispiel der Tiefenänderungen die Dimension dieses Prozesses. Mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit der Medemrinne, die insbesondere ebbstromorientiert wirksam ist, ist auch eine Absenkung der Tideniedrigwasserstände in der Tideelbe eingetreten.
Morphologische Entwicklungen im Elbmündungsbereich (1970 bis 1995)
Die morphodynamische Entwicklung der Medemrinne ist nicht durch die Fahrrinnenausbaumaßnahmen bedingt. Durch die Vertiefung der Fahrrinne der Elbe wird die hydraulische Leistungsfähigkeit des Hauptquerschnittes gestärkt mit der Folge, dass der Durchfluss der Medemrinne schrumpft. Die morphodynamische Entwicklung der Medemrinne verdeutlicht, dass die natürlichen Gestaltungsvorgänge (Gezeiten, Seegang und Sturmfluten) im Elbmündungsgebiet dominant sind und die Wirkungen der Fahrrinnenvertiefungen überdeckt werden." (BAW/DH 2001, S. 6)
Festzuhalten ist also, dass bezüglich des MTnw in der Unterelbe derzeit kein stabiler hydrologischer Zustand vorliegt. Verdeutlicht wird dies in Abb. II.4.3.1-5, wo die um den Oberwassereinfluss bereinigten Differenzen des jährlichen MTnw zwischen den Pegeln St. Pauli und Helgoland seit 1980 dargestellt sind. (Durch die Bildung der Wasserstandsdifferenzen zum Hochseepegel Helgoland wird der Einfluss der Meeresspiegeländerungen der Nordsee aus den Daten beseitigt; die dargestellten Daten sind damit also weitgehend frei von "externen" Beeinflussungen).
Es wird deutlich, dass die abnehmende Tendenz des MTnw bis dato anhält. Ob und in welchem Maße die jüngste Fahrrinnenanpassung dazu beiträgt bzw. beigetragen hat, kann derzeit nicht gesagt werden. Eine Verstärkung des Niedrigwasser-Trends durch die im Jahre 1999 durchgeführten Hauptarbeiten zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe ist an den Pegeln der Delegationsstrecke jedenfalls nicht erkennbar. Insofern ist festzuhalten, dass die gemäß UVU-Prognose zu erwartende maximale Tnw-Absenkung von bis zu 7 cm im Hamburger Raum bislang offenbar nicht eingetreten ist.
Abb. II.4.3.1-5: Um den Oberwassereinfluss bereinigte MTnw - Differenzen zwischen Helgoland und St. Pauli seit 1980
Bei der Entwicklung des - in ökologischer Hinsicht bedeutenderen - mittleren Tidehochwassers (MThw) haben sich in den letzten Jahren keine Auffälligkeiten ergeben. Verdeutlicht wird dies in Abb. II.4.3.1-6, wo - als Pendant zu Abb. II.4.3.1-5 - die um den Oberwassereinfluss bereinigten Differenzen des jährlichen MThw zwischen den Pegeln St. Pauli und Helgoland seit 1980 dargestellt sind. Die bereinigte MThw-Differenz zwischen Helgoland und St. Pauli ist seit Jahren recht konstant. Ein Anstieg durch die jüngste Fahrrinnenanpassung ist bislang nicht zu verzeichnen. Eher deutet sich seit einigen Jahren eher eine abnehmende Tendenz des MThw an. Der gemäß UVU-Prognose zu erwartende maximale Thw-Anstieg von bis zu 4 cm im Hamburger Raum ist demnach bislang nicht eingetreten.
Abb. II.4.3.1-6: Um den Oberwassereinfluss bereinigte MThw - Differenzen zwischen Helgoland und St. Pauli seit 1980
Die Abbildungen II.4.3.1-7 bis II.4.3.1-9 zeigen für die drei Beweissicherungs-Pegel der Delegationsstrecke die monatlichen Mittelwerte des Tidehoch- und Niedrigwassers, die monatlichen Mittel des Oberwasserzuflusses Neu Darchau sowie zusätzlich das jährliche HThw ab dem gewässerkundlichen Jahr 1997. Auch anhand der bislang vorliegenden monatlichen Mittelwerte lassen sich keine Ausbauwirkungen nachweisen.
Abb. II.4.3.1-7: Monatliches MThw, MTnw sowie jährliches HThw Blankenese
Abb. II.4.3.1-8: Monatliches MThw, MTnw sowie jährliches HThw St. Pauli
Abb. II.4.3.1-9: Monatliches MThw, MTnw sowie jährliches HThw Bunthaus
Entwicklung des Tideverlaufs
Die Betrachtung von jährlichen und monatlichen Mittelwerten der Kennwerte Tnw und Thw erbrachte bislang keine Hinweise auf Änderungen, die auf Folgewirkungen des Ausbaus der Fahrrinne von Unter- und Außenelbe zurückzuführen wären. Von Interesse ist allerdings auch die Entwicklung des Ablaufs der gesamten Tide.
In Abbildung II.4.3.1-10 sind die mittleren Tidekurven des Pegels St. Pauli für die Jahre 1997, 1998, 1999, 2000 und 2001 übereinander gezeichnet. Zur besseren Unterscheidung der einzelnen Kurvenverläufe wurden die Tideniedrigwasserhöhen der einzelnen Pegel auf ein einheitliches Niveau von 350 cm PN (= NN - 150 cm) bezogen. Wie beschrieben, haben sich die Scheitelwerte Thw und Tnw in diesem Zeitraum nur geringfügig verändert. Augenfällig ist allerdings eine Veränderung des Tideverlaufs in der Flutphase: Hier zeichnet sich eine Versteilerung des - ohnehin schon recht steil ausgeprägten - Flutastes bei den Tidekurven für die Jahre 2000 und 2001 ab.
Diese Veränderung des Tideverlaufs kann vor allem in Bezug auf Sedimenttransportvorgänge im Elbeästuar von besonderer Bedeutung sein. Die Bundesanstalt für Wasserbau [2001] weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass "durch eine Fahrrinnenvertiefung grundsätzlich der Flutast aufgesteilt und damit der Stromauf-Transport der Sedimente (Sedimenttransport und suspendierter Transport) verstärkt wird. Die Folge kann ein drastischer Anstieg der Unterhaltungsbaggermengen in der Fahrrinne aber auch im Hamburger Hafen (Senke) sein" (BAW/DH 2001, S. 2).
Inwieweit vor diesem Hintergrund die beschriebenen Veränderungen des Tideverlaufs zu der im Abschnitt II.4.2 erwähnten Erhöhung der Unterhaltungsaufwendungen im Hamburger Hafen im Jahre 2000 und 2001 beigetragen haben, bedarf noch einer detaillierten Betrachtung. Von Seiten des Amtes Strom- und Hafenbau ist vorgesehen, diese Thematik umfassend untersuchen zu lassen.
Abb. II.4.3.1-10: Mittlere Tidekurven St. Pauli 1998, 1999, 2000 und 2001 (bezogen auf ein einheitliches Tnw von 350 cm PN)
Eintrittshäufigkeiten von Wasserständen
Bei den Eintrittshäufigkeiten von Wasserständen sind im Rahmen der Beweissicherung vor allem die Sturmflutwasserstände zu betrachten. Gemäß Planfeststellungsbeschluss sind diesbezüglich für ausgewählte Pegel (hier: St. Pauli) die Eintrittshäufigkeiten von Sturmflutwasserständen nach DIN 4049 mit der Jahresreihe 1956 bis 1995 zu vergleichen.
Die Auswahl der Jahresreihe 1956/95 als Grundlage für die Ermittlung von (möglichen) Änderungen der Sturmfluthäufigkeit ist - zumindest was den Pegel St. Pauli anbelangt - schwierig. In den Zeitraum 1956 bis 1995 fallen eine Reihe großer Baumaßnahmen in und an der Elbe, die die Charakteristik von Sturmfluten im inneren Elbeästuar nachhaltig verändert haben. Neben dem Ausbau der Elbe auf KN -13,5 m sind hier die Deichbaumaßnahmen an der Elbe hervorzuheben, die maßgeblich zu einer Erhöhung der Sturmflutscheitel beigetragen haben. Die Jahresreihe 1956/95 spiegelt die heutigen Wasserstandsverhältnisse im Hinblick auf die Überschreitungshäufigkeiten also nur bedingt wider.
Die Überschreitungshäufigkeiten von Tidehochwassern am Pegel St. Pauli für diese Jahresreihe 1956/95 sind in Abbildung II.4.3.1-11 dargestellt. Ergänzend dazu sind auch die Jahresreihen 1956/75 sowie 1976/95 abgebildet, um die eingetretenen Veränderungen der Hochwasserscheitel in diesem Zeitraum zu verdeutlichen. Letzteres wird bei einer späteren Ermittlung und Bewertung möglicher zukünftiger Änderungen zu berücksichtigen sein.
Abb. II.4.3.1-11: Mittlere jährliche Überschreitungshäufigkeiten am Pegel St. Pauli für die Jahresreihe 1956/95 sowie für die Reihen 1956/75 und 1976/95
Auf Grundlage der Jahresreihe 1956/95 ergeben sich gemäß DIN 4049 folgende Grenzhöhen für Sturmfluten am Pegel St. Pauli, die für das weitere Beweissicherungsverfahren im Hinblick auf die Änderung der Sturmfluthäufigkeiten als "Grundrelation" herangezogen werden sollen:
Leichte Sturmflut: Eintrittshäufigkeit nach DIN 4049: 0,5 bis 10 x pro Jahr: 326 cm NN
Schwere Sturmflut: Eintrittshäufigkeit nach DIN 4049: 0,05 bis 0,5 x pro Jahr: 485 cm NN
Sehr schwere Sturmflut: Eintrittshäufigkeit nach DIN 4049: <0,05 x pro Jahr: 605 cm NN
Zum Vergleich:
Nach der Definition des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) gelten - bezogen auf den Pegel St. Pauli - folgende Grenzwerte:
- "Sturmflut" (= 1,5 bis 2,5 m über MThw) 350 bis 450 cm NN
- "Schwere Sturmflut" (= 2,5 bis 3,5 m über MThw) 450 bis 550 cm NN
- "Sehr schwere Sturmflut" (= über 3,5 m über MThw) über 550 cm NN
Für die gewässerkundlichen Jahre seit 1996 ergibt sich hinsichtlich der definierten Grenzwerte das in Tabelle II.4.3.1-2 dargestellte Bild für die Wasserstandsverhältnisse am Pegel St. Pauli:
Tab. II.4.3.1-2: Eintrittshäufigkeiten von Sturmflutwasserständen nach DIN 4049 (Basis: Jahresreihe 1956 bis 1995) für den Pegel St. Pauli ab 1996
Jährliche Überschreitung 326 cm NN (Grenzhöhe "leichte Sturmflut" nach DIN 4049) |
Jährliche Überschreitung 485 cm NN (Grenzhöhe "schwere Sturmflut" nach DIN 4049) |
Jährliche Überschreitung 605 cm NN (Grenzhöhe "sehr schwere Sturmflut" nach DIN 4049) |
|
Zeitreihe 1956/95 (Basis-Zeitreihe) |
10 | 0,5 | 0,05 |
1996 | 2 | 0 | 0 |
1997 | 14 | 0 | 0 |
1998 | 13 | 0 | 0 |
1999 | 12 | 2 | 0 |
2000 | 18 | 2 | 0 |
2001 | 8 | 0 | 0 |
2002 |
Der Wasserstand 326 cm NN (als Grenzhöhe für "leichte Sturmflut") wurde lediglich im Jahr 2000 überdurchschnittlich häufig überschritten. Für die Jahre 1996 bis 2001 ergibt sich eine mittlere jährliche Überschreitung von 11,2, die im Wesentlichen der Verteilung für die Jahre 1956/95 entspricht.
Die Grenzhöhe von 485 cm NN (als Definitionen für "schwere Sturmflut") wurde lediglich in den 1999 und 2000 jeweils zwei mal überschritten. "Sehr schwere Sturmfluten" mit Wasserständen von 605 cm NN und mehr traten seit 1996 am Pegel St. Pauli nicht auf. Die Sturmfluten vom 5.2.1999 und 3.12.1999, mit 574 bzw. 595 cm NN die siebt- und dritthöchsten, die bis dato am Pegel St. Pauli registriert wurden, fallen nach der hier anzuwendenden Definition nicht in die Kategorie "sehr schwere Sturmflut".
Folgewirkungen der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe auf die Eintrittshäufigkeiten von Wasserständen lassen sich aus den vorliegenden Daten nicht ableiten.
Entwicklung der Flut- und Ebbedauern
Gemäß Planfeststellungsbeschluss sind im Rahmen der Beweissicherung auch die Flut- und Ebbedauern der jeweiligen Pegelstandorte zu betrachten. In der nachfolgenden Abb. II.4.3.1-12 ist für die drei Beweissicherungspegel der Delegationsstrecke die zeitliche Entwicklung dieser Kenngrößen auf der Basis monatlicher Mittelwerte ab November 1996 dargestellt. Kennzeichnend und augenfällig ist die hohe Abhängigkeit der Flut- und Ebbedauern vom Oberwasserzufluss: Bei hohem Oberwasserzufluss verkürzt sich die Flutdauer (TF), während die Ebbedauer (TE) im entsprechenden Maße zunimmt und umgekehrt. In der UVU zur Fahrrinnenanpassung wurden für diesen Elbabschnitt ausbaubedingte Zunahmen der Flutdauern um weniger als 2 Minuten und entsprechende Abnahmen der Ebbedauern prognostiziert. Anhand der bis zum jetzigen Zeitpunkt vorliegenden Daten ist eine derartige Änderung nicht erkennbar.
Abb. II.4.3.1-12: Monatsmittel der Flut- und Ebbedauern Bunthaus, St. Pauli und Blankenese sowie des Oberwasserzuflusses Neu Darchau