III.1.1 Makrozoobenthos
Es wurden als Grundlage der IST-Zustandserfassung die in der UVU im Kap. 7.4.1 sowie im Materialband VII aufgeführten Ergebnisse ergänzt durch zusätzliche Probenahmen für das Makrozoobenthos. Diese zusätzlichen Erhebungen wurden durchgeführt im April 1998 im Bereich der Ablagerungsfläche Twielenfleth sowie im Mai 1999 in der Außenelbe und im Bereich Lühesand bevor dort mit den Baggerarbeiten begonnen wurde. Die Ergebnisse dieser Erhebungen ergänzen die Untersuchungsergebnisse der UVU.
Ablagerungsfläche Twielenfleth
Die Untersuchung der Ablagerungsfläche Twielenfleth wurde von Herrn Dipl.-Biol. Krieg vom HuuG, Tangstedt durchführt. Dabei wurden folgende Resultate erzielt (Auszüge aus der Zusammenfassung des Gutachterberichtes):
In Verbindung mit der Anpassung der Fahrrinne der Unter- und Außenelbe an die Containerschifffahrt wird am südlichen Ufer der Unterelbe bei Twielenfleth eine Baggergutablagerungsfläche eingerichtet. Als Kompensation zur Fahrrinnenvertiefung wird die Strombaudeponie so angelegt, dass die uferständige Flachwasserzone auf rd. 30 ha Fläche vergrößert wird.
Das WSA Hamburg hat den Beratenden Biologen H.-J. Krieg, HUuG Tangstedt, Anfang April 1998 beauftragt, noch vor Baubeginn, die sog. "Nullproben" zu sichern.
Die Beprobung der wirbellosen Bodenfauna fand am 20.04.1998 statt. Im potentiellen Ausgleichsgebiet sind auf vier Transekten mit insgesamt 15 Stationen vom Eu- (oberhalb MTnw-Linie) bis ins Sublitoral (unterhalb MTnw-Linie) Bodenproben entnommen worden.
Einschließlich Fischlaich, Fischlarven und Oligochaeten-Kokons sind an den untersuchten Stationen 49 zoobenthische Arten/Taxa registriert worden; wobei es sich bei acht Arten bzw. Gattungen ausnahmslos um leere Gehäuse- oder Schalennachweise von Mollusken handelte. Innerhalb der lebenden, wirbellosen Bodenfauna konnten 29 Taxa bis auf Art- bzw. Gattungsniveau determiniert werden. Die präsenten Arten waren sog. "Allerweltsarten", die allgemein als robust gelten und durch ein hohes Reproduktionspotential ausgezeichnet sind.
Charakteristisch für die Mehrzahl der Proben war eine Tubificidengesellschaft (Oligochaeta, Tubificidae), die sich aus unreifen Jugendstadien sowie adulten Spezies dieser Familie zusammensetzte, u. a. Limnodrilus hoffmeisteri, Limnodrilus profundicola und Potamothrix moldaviensis. Im Oligochaetenspektrum erreichten noch Propappus volki (Oligochaeta, Propappidae) und Nais spp. (Oligochaeta, Naididae) lokal nennenswerte Bestandsanteile.
Die Individuenzahlen zeigten insgesamt wie auch für die einzelnen Taxagruppen eine sehr hohe Variabilität. Sie differierten in der Größenordnung von >103 bis 105 Tieren m-2. Die höchsten Gesamtabundanzen mit Werten >105 Ind. m-2 sind auf der BA Twielenfleth dokumentiert. Das Gros der Organismen repräsentierte in fast allen Stichproben überwiegend juvenile Oligochäten und deren Eikokons. Der Anteil der geschlechtsreifen Tubificiden war mit rd. 2 x 103 Ind. m-2 in der Mehrzahl der Stichproben relativ konstant (i. d. R. obenerwähnte Assoziation). Mollusken spielten im Probenmaterial keine Rolle. Amphipoden waren lokal vertreten, allerdings mit geringen Individuendichten.
Mit einer mittleren Gesamtabundanz von fast 5 x 104 Ind. m-2 erwies sich das Gebiet der BA Twielenfleth am dichtesten besiedelt. Auffällig hoch war der Anteil der "kleinen" und juvenilen Organismen (Turbellaria und Oligochaeta). Das östliche war im Gegensatz zum westlichen Referenztransekt und zur BA Twielenfleth vergleichsweise am dünnsten besiedelt; der Mittelwert lag signifikant unter 104 Ind. m-2.
Alles in allem war die Diversität im gesamten Untersuchungsgebiet gering. Das legt den Schluss nahe, dass die Zoobenthosgemeinschaft vorrangig über physikalische bzw. hydrodynamische Randbedingungen kontrolliert wird. Bis auf wenige Ausnahmen schwankten die einzelnen Rechenwerte des Shannon-Wiener-Indexes zwischen 1 und 2.
Die Höhe der Individuenzahlen und die Verbreitung der Arten im Untersuchungsraum ist weniger von der Tiefenlage abhängig, sondern primär von der örtlichen Sedimentstruktur. Grundsätzlich nahmen mit Zunahme der Korngröße und Verringerung des Schluffanteils die Individuenzahlen ab und die Artenzahlen zu. In Probenmaterial aus Mittel- bis Grobsand sind mit 103 Ind. m-2 die geringsten, dagegen in Feinsand mit viel Schluff tendenziell die höchsten Abundanzen mit 104 bis 105 Ind. m-2 ermittelt worden.
Unter- und Außenelbe
Weitere Untersuchungen zur Verbesserung der Kenntnisse des IST-Zustandes wurden in der Fahrrinne und in verschiedenen Transekten der Außen- und der Unterelbe (Abbildung III.1.1-1) vom Büro Bioconsult durchführt. Dabei wurden folgende Resultate erzielt (Auszüge aus der Zusammenfassung des Gutachterberichtes):
Im Rahmen der Beweissicherung zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe an die Containerschifffahrt sind umfangreiche Begleituntersuchungen zur benthischen Makrofauna im Bereich der Außenelbe ( 732-740) und der Unterelbe ( 647-653) vorgesehen. Das Probenahmedesign der Untersuchungen wurde vom Auftraggeber in Abstimmung mit den von der Maßnahme betroffenen Bundesländern konzipiert, um festzustellen wie sich Artenzusammensetzung und Individuenzahlen nach der Ausbaggerung auf den betroffenen Flächen entwickeln, in welcher Form die Wiederbesiedlung stattfindet und ob diese den Prognosen der UVU Elbe entspricht.
Um die vor Beginn der Bauarbeiten in den Untersuchungsgebieten vorkommenden Zönosen im Hinblick auf Artenspektrum und Individuenzahlen zu dokumentieren, wurden im April 1999 umfangreiche Makrozoobenthosuntersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse in diesem Bericht dargestellt werden.
In der Außenelbe wurden auf Klappstelle 733 und deren Umgebung 23 Stationen beprobt, in der Fahrrinne zwischen 732-740 15 Stationen und auf einem Transekt zwischen Fahrrinne (ca. 736) und Zehnerloch 11 Stationen untersucht. Einige der Transektstationen waren mit Klappstellen- und Fahrrinnestationen identisch. In der Unterelbe wurde die Baggergutablagerungsfläche (BA) Twielenfleth 1999 an 2 Stationen beprobt, an 15 weiteren Stationen war bereits 1998 eine Probenahme erfolgt. Zwischen 647,5 und 653 wurde das Makrozoobenthos der Fahrrinne und zweier Referenzstationen an 22 Probenahmepunkten auf Längs- und Querschnitten ebenfalls beprobt.
An jeder der Stationen in Unter- und Außenelbe wurden jeweils 6 Parallelproben mit einem 0,1m² van-Veen-Greifer entnommen, aus denen zur Bestimmung kleinerer Formen zusätzlich ein Stechrohr (Ø 4,5 cm) entnommen wurde. Die Siebung der Stechrohre erfolgte über ein 250 µm Sieb, die Siebung des restlichen Greiferinhalts über ein 1000 µm Sieb.
In den unterschiedlichen Untersuchungsgebieten wurde an den einzelnen Stationen das Artenspektrum, die Artenzahl, die Diversität und Äquität sowie die Individuendichte ermittelt. Die Kennwerte der Zönosen wurden getrennt für die beiden Datensätze "Stechrohr" und "Greifer" dargestellt. Die Werte für die einzelnen Stationen sind im Anhang beigefügt. Dieser Bericht enthält eine Übersicht über diese Kennwerte der Zönosen bezogen auf die sechs verschiedenen Untersuchungsbereiche in Unter- und Außenelbe:
Klappstelle 733 und Umgebung: die mittlere Artenzahl betrug hier in den Greiferproben 9,2 Taxa/Station, die mittl. Individuendichte lag bei 154 Ind./m². Häufigste Arten waren die Flohkrebse Bathyporeia spp. und Haustorius arenarius, gefolgt von den Polychaeten Eteone longa und Heteromastus filiformis.
Außenelbe-Fahrrinne: in den Greiferproben waren im Mittel der Stationen 6,7 Arten/Station vertreten, die Individuenzahl lag bei 45,2 Ind./m². Häufigste Taxa waren Haustorius arenarius und Bathyporreia spp. vor Eteone longa.
Transekt Außenelbe: im Verlauf des Transekts zeigte sich eine deutliche Veränderung der Fauna vom Zehnerloch zur Klappstelle, während von hier zu den Fahrrinnenstationen nur geringe Unterschiede in der Faunenzusammensetzung auftraten (Greiferproben): Heteromastus filiformis und Macoma balthica dominierten im Gebiet des Zehnerlochs, während Haustorius arenarius auf der Klappstelle und in der Fahrrinne dominierte.
BA Twielenfleth: Die mittlere Artenzahl (Greiferproben) des Makrozoobenthos i. e. S. auf den BA-Flächen lag bei 5,7 Taxa/Station, die mittl. Individuendichte bei 302 Ind./m². Häufigste Taxa des Makrozoobenthos waren Tubificidae, besonders Limnodrilus hoffmeisteri und Amphipoda, v. a Gammarus zaddachi.
Unterelbe-Fahrrinne: an den hier untersuchten Stationen lag die mittl. Artenzahl der Greiferstationen bei 9,4 Arten/Station, die mittl. Individuendichte bei 489 Ind./m². Häufigste Vertreter des Makrozoobenthos waren Limnodrilus hoffmeisteri und Tubificidae ohne Haarborsten sowie Bathyporeia pilosa.
Unterelbe-Fahrrinne (Referenz): Auf den in der Fahrrinne gelegenen Referenz-Stationen ( 647,5-649) lagen die mittl. Artenzahlen der Greiferproben bei 7,7 Arten/Station, die Individuendichte bei 64 Ind./m². Bathyporeia spp., Gammarus zaddachi und Limnodrilus hoffmeisteri waren die häufigsten Taxa in diesem Untersuchungsabschnitt.
Anhand der 1998/99 erhobenen Daten wurde ein Vergleich mit den Ergebnissen der UVU durchgeführt. Dabei wurden die Status quo Darstellungen der UVU und der vorliegenden Untersuchung gegenübergestellt. Der Vergleich war jedoch nur begrenzt möglich, da die Untersuchungsmethodik der UVU stark von der abwich, die 1998/99 zur Anwendung kam: Probenahmegerät, Zahl der Probenahmen/Station, Lage der Probenahmestationen und Probenahmezeitpunkt der Untersuchungen waren unterschiedlich. Unter Berücksichtigung dieser Unterschiede wurden zwischen UVU Elbe und den Untersuchungen 1998/99 jedoch Gemeinsamkeiten in Artenspektrum, Artenzahlen und Individuenzahlen gefunden.
Die Übereinstimmung der Artenspektren zwischen den Untersuchungen war hoch, wenn die hohe saisonale und interanuelle Variabilität sowie die Fleckenhaftigkeit im Vorkommen der Arten berücksichtigt wird, die die Lebensräume Unter- und Außenelbe besiedeln.
Deutlichere Unterschiede zwischen UVU und aktueller Untersuchung traten in Bezug auf die mittleren Arten- und Individuenzahlen pro Untersuchungsbereich zutage. Der Blick auf die Zahl der Probenahmestationen und Probenahmezeitpunkte sowie besonders auf die erfassten Taxa war nötig, um die stark voneinander abweichenden Arten- und Individuenzahlen von UVU und aktueller Untersuchung zu interpretieren. So wurde in der UVU eine Vielzahl an Taxa berücksichtigt, die aufgrund ihrer Größe (< 1 mm) nicht zum Makrozoobenthos sondern zur Meiofauna zählen. Diese Arten wie z. B. Turbellaria, Nematoda, Foraminifera waren aber besonders in den Sommermonaten hochabundant und bedingen wesentlich die in der UVU dargestellte hohe Individuendichte. Bleibt die Meiofauna in der Auswertung der Arten- und Individuenzahlen unberücksichtigt, reduzieren sich die quantitativen Unterschiede im Vergleich von UVU und vorliegender Untersuchung erheblich.
Die Übereinstimmungen in Arten- und Individuenzahlen zwischen UVU und aktueller Untersuchung wurden besonders beim Vergleich der Werte am Querprofil Lühesand deutlich. Hier waren drei Stationen mit gleichen Koordinaten sowohl 1993 als auch 1999 beprobt worden. Werden saisonale Einflüsse (Sommerbeprobungen der UVU) ausgeklammert und Meiofauna-Taxa nicht berücksichtigt, so treten zwischen UVU Elbe und aktueller Untersuchung große Gemeinsamkeiten in Arten- und Individuenzahlen der Stechrohrprobenahmen an den drei Standorten auf. Hohe Arten und Individuenzahlen am Fahrrinnenrand (4-6 Taxa,>1300 Ind./m²) stehen niedrigeren Werten in der Fahrrinnenmitte (2-3 Taxa, <850 Ind./m²) gegenüber.
Im Vergleich der Stechrohrprobenahmen von UVU und aktueller Untersuchung zu den Greiferergebnissen 1998/99 wurde deutlich, dass es mit der Stechrohr- im Vergleich zur Greifermethodik zu einer Unterschätzung der Artenzahlen und einer Überschätzung der Individuenzahlen des Makrozoobenthos an den untersuchten Stationen kommt.
Abb. III.1.1-1: Lageplan der Makrozoobenthosbeprobungen im Frühjahr 1999 zur Ergänzung der IST-Zustandserfassung der UVU