Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

Untersuchungen von Miesmuschelansiedlungen in der Tideelbe im Abschnitt km 713 - km 723

Endbericht Untersuchungen 2010 - 2014

Datum:August 2015

Auftraggeber:Wasser- und Schifffahrtsamt Elbe-Nordsee
Am Alten Hafen 2
27472 Cuxhaven

Auftragnehmer:BIOCONSULT
Schuchardt & Scholle GbR

Projektbearbeitung:Dr. Sandra Jaklin
Dipl.-Biol. Pelle Schlösser
Dipl.-Biol. Detlef Henning
Dipl.-Biol. Birgitta Wilmes

Das Bild zeigt viele Miesmuscheln Miesmuscheln

Zusammenfassung

Hintergrund

Im Rahmen des laufenden Planfeststellungsverfahrens „Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe“ plante der Vorhabenträger die Umstellung der bisher im Bereich des Glameyer Stacks beantragten Unterwasserablagerungsflächen auf eine Buhnenkette westlich und eine Kombination aus Buhnen und einer Unterwasserablagerungsfläche östlich des Glameyer Stacks. Durch diese Maßnahme soll die notwendige Verbesserung des Uferschutzes erreicht werden. Nach Planfeststellungsverfahren war es erforderlich, auch die Umweltauswirkungen der neuen Planung (Planänderung II) zu untersuchen. Die Untersuchungen wurden als Auflage im Rahmen der vorläufigen Anordnung (Kap. 3.3) und später im Planfeststellungsbeschluss 2012 festgelegt.

Die Bauarbeiten wurden im April 2011 aufgenommen und endeten im Oktober 2012, insgesamt wurden 24 Buhnen im Elbabschnitt (südliche Stromseite) von km 714 – km 720 errichtet. Der vorliegende Bericht bezieht sich vor diesem Hintergrund auf die Auswirkungen der Buhnenbaumaßnahme auf die im betroffenen Elbabschnitt vorkommenden sublitoralen Miesmuschelansiedlungen.

Untersuchungsansatz und Ergebnisse

Für die Abschätzung der Auswirkungen der Baumaßnahmen auf die Miesmuscheln wurde die Besiedlung „vor“, „während“, „unmittelbar nach Abschluss“ und „zwei Jahre nach Abschluss“ der Baumaßnahmen ermittelt. Im Fokus stand dabei die Beantwortung der Frage ob und in wie weit sich die Ausprägung der Miesmuschelansiedlungen auf der südlichen Stromseite zwischen km 713 und 723 qualitativ/quantitativ verändert. Die Untersuchungen zu den Miesmuscheln wurden im Herbst 2010 vor den Bauarbeiten begonnen. In den Jahren 2011 und 2012 erfolgten „während“ der Bauphase (2011) bzw. unmittelbar nach Beendigung der Baumaßnahme (2012) weitere begleitende Untersuchungen. Die Abschlussuntersuchung fand im Herbst 2014 ca. 2 Jahre nach Fertigstellung der Buhnen statt.

Die Untersuchung erfolgte mittels Bodengreiferproben und Dredgezügen. Neben den biologischen Erfassungen wurden zudem Aufnahmen mit dem Seitensichtsonar durchgeführt, um Hinweise auf die räumliche Ausdehnung der Muschelansiedlungen zu erhalten.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass

  • im Jahr 2010, also vor Beginn der Baumaßnahme, Miesmuschelansiedlungen im gesamten Untersuchungsgebiet (km 713 – km 723) örtlich auch in höheren Dichten festgestellt wurden. Eine Ausnahme machte der am weitesten stromauf befindliche Untersuchungsabschnitt um etwa km 713 - km 715. Hier wurden keine oder höchstens einzelne Miesmuscheln erfasst.
  • im Jahr 2011 ein Rückgang der Miesmuscheln im gesamten Untersuchungsgebiet festgestellt wurde, dies betraf auch die nicht im unmittelbaren Baugebiet befindlichen Teilgebiete (K, R). Ein Einfluss der Bauarbeiten ist anzunehmen, aber aufgrund der auch in den Teilgebieten K und R verzeichneten Rückgänge nicht eindeutig zu belegen.
  • unter Berücksichtigung des Untersuchungsjahres 2012 ein Zusammenhang von Miesmuschelvorkommen und Baumaßnahme aber plausibel wird. So wurde die in den Teilgebieten K & R ermittelte deutliche Zunahme der Muscheldichte (Brutfall) in den Teilgebieten W & M (im Bereich der Baumaßnahmen) nicht verzeichnet; es wurden hier sogar nur noch vereinzelt Miesmuscheln erfasst, so dass die Dichte im Jahr 2012 sogar geringer war als nach Abschluss des ersten Baujahres 2011.
  • die im Jahr 2014, also zwei Jahre nach Abschluss der Buhnenbauarbeiten, festgestellten Befunde für das im Baugebiet lokalisierte Teilgebiet W wieder eine deutlich ausgeprägte Neubesiedlung zeigten.

Im untersuchten Abschnitt der Tideelbe (km 713 - 723) wiesen die Miesmuschelvorkommen ein Abundanzgefälle auf, das wahrscheinlich durch den natürlichen Salzgehaltsgradienten bedingt ist. Die Bereiche stromauf des Glameyer Stacks scheinen für Miesmuscheln hiernach nur suboptimale Bedingungen zu bieten, so dass dort lediglich vereinzelte Vorkommen von wahrscheinlich in das Gebiet verdrifteten Tieren zu beobachten waren. Stromab des Glameyer Stacks waren die Muschelvorkommen bei hoher zeitlicher und räumlicher Variabilität als dauerhaft (persistent) zu beschreiben. Dichtere Vorkommen entwickelten eine charakteristische Begleitfauna und erfüllen somit wichtige ökologische Funktionen im Ästuar (ecosystem engineers).

Fazit

Im Bereich des Baugebietes war ein Rückgang der Miesmuscheln im Zeitraum der Bauarbeiten zu beobachten. Dieser kann möglicherweise im Zusammenhang mit Effekten durch Baggerungen und Sedimentdrift stehen, aber auch durch natürlichen Prozesse (z.B. Oberwasserabfluss) begründet sein. Vor dem Hintergrund aller Ergebnisse erscheint die Annahme plausibel, dass die Bauarbeiten sehr wahrscheinlich zu einem temporären Rückgang der Miesmuscheln in den betroffenen Teilabschnitten geführt haben. Das Potenzial als Muschelstandort dieses Elbabschnitts scheint sich gegenüber dem Ausgangszustand 2010 allerdings nicht nachhaltig verändert zu haben, wie die 2014 festgestellte z.T. umfangreiche Neubesiedlung (Teilgebiet W) durch Miesmuscheln nach Abschluss der Bauarbeiten gezeigt hat.

Ob der Tideelbeabschnitt oberhalb von etwa km 718 dauerhaft oder nur temporär durch Muscheln besiedelt wird, bleibt von den jeweiligen abiotischen Rahmenbedingungen abhängig. Diese können interannuell deutlich wechseln, wie z.B. die zeitweilige Aussüßung durch das Elbehochwasser im Jahr 2013 gezeigt hat. Es ist daher kaum zu prognostizieren, ob Jungmuscheln langfristig zu „reifen“, d.h. altersgemischten, strukturreichen Muschelansiedlungen heranwachsen. Generell ist im Vergleich zu eulitoralen Miesmuschelbänken nur sehr wenig über die Persistenz, Struktur (Abundanz, Aufwachsen der Bänke) und Variabilität sublitoraler Ansiedlungen bekannt (NEHLS et al. 2009).

Einordnung der Miesmuschelansiedlung

Ob die Miesmuschelansiedlung im Untersuchungsgebiet die Kriterien für eine Einordnung als Lebensraumtyp „Riffe“ (1170) erfüllt, ist im Rahmen des vorliegenden Berichts u.a. aus folgenden Gründen nicht belastbar zu klären:

  • Kriterien zur Abgrenzung des LRT „Riffe“ sind zum Teil noch nicht abschließend abgestimmt
  • Übertragbarkeit der auf eulitorale Bänke ausgerichteten Kriterien auf sublitorale Miesmuschelansiedlung bleibt zu prüfen

Die Klassifizierung der im Untersuchungsgebiet vorhandenen Miesmuschelansiedlung als LRT „Riffe“ (1170) ist daher zum jetzigen Zeitpunkt weder eindeutig zu verneinen noch zu bejahen.

Dokumentationen

Untersuchungen von Miesmuschelansiedlungen in der Tideelbe im Abschnitt km 713 - km 723 (Endbericht) (PDF, 3 MB, Datei ist nicht barrierefrei)  

Geophysikalische Untersuchungen Side Scan Sonar - Ufersicherungsmaßnahme Glameyer Stack (PDF, 822 KB, Datei ist nicht barrierefrei)  

Anlage 1 (PDF, 7 MB, Datei ist nicht barrierefrei)  

Anlage 2 (PDF, 81 KB, Datei ist nicht barrierefrei)